Gedanken zum digitalen Unterricht

Wie alles begann

Im Jahre 1996 fing ich am Maria Theresia-Gymnasium im Münchner Stadtteil Haidhausen mit meinem Referendariat an. Nach einem Studium der Germanistik und Geschichte und einigen Werkverträgen im Bereich Museen und Ausstellungen hatte ich mich dann doch dazu überwunden, den Schritt ins Lehramt zu wagen – ein Schritt, den ich niemals bereut habe.

Da ich mich bereits seit Studienzeiten mit dem Thema Computer und Geschichte intensiv befasst hatte, war es für mich naheliegend nun im Referendariat den Fokus auf Computer im Unterricht zu legen und so verfasste ich dann auch meine Zulassungsarbeit zu dem Thema „Computerspiele im Unterricht“.

Seither hat mich das Thema der Digitalisierung von Unterrichtsabläufen nicht mehr losgelassen und ich habe über 20 Jahre lang in verschiedenen Funktionen Lehrerfortbildungen abgehalten und nach neuen Mitteln und Methoden gesucht, die digitalen Medien, die sich ja in einem permanenten Wandel befinden, in Schule und Lehre zu integrieren und den Schülerinnen und Schülern die notwendige Medienkompetenz zu vermitteln.

Ganz am Anfang standen die virtuellen Kurshefte zunächst für einige Leistungskurse Geschichte, in denen die Schülerinnen und Schülern vor allem Materialien zur Nachbereitung des Unterrichts und zur Vorbereitung von Klausuren fanden – ein echter Fortschritt Anfang der 2000er Jahre waren da PDFs! Die Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden außerhalb des Präsenzunterrichts fand damals vor allem per E-Mail statt, wobei wir in den Leistungskursen mit bis zu 15 Personen immer das Glück hatten, dass tatsächliche alle einen Computer und Internetzugang hatten.

Ein unglaublicher Fortschritt war dann 2009 die freie Autorensoftware HotPotatoes, mit der man Lückentexte, MC-Aufgaben und Kreuzworträtsel erstellen konnte. Seither sind eine Reihe anderer Anwendungen hinzugekommen.

Wie wird Unterricht digital?

Heute haben die allermeisten Schülerinnen und Schüler ein Smartphone und die Möglichkeit auf einen Computer zuzugreifen und es gibt eine Reihe hervorragender Programme, mit denen man interaktive Unterrichtsmaterialien gestalten kann.

Schülerinnen und Schüler mit Word- oder PDF-Arbeitsblättern zu versorgen – das aber bitte mit Maß und Ziel – ist in der gegenwärtigen Situation wichtig und richtig, aber das ist kein digitaler Unterricht. Als die Matrizenabzüge – noch heute vermisse ich deren Geruch – durch Kopien ersetzt wurden, hat sich weder die Methodik noch die Didaktik geändert, sondern nur der „Datenträger“, Analoges gilt für den Wechsel von der Papierkopie hin zur digitalen Kopie.

Die tollen Programme, mit denen ich echte digitale Lehr- und Lernmittel erstellen kann, gibt es nicht erst seit gestern, sondern viele sind schon seit ein paar Jahren – oft sogar völlig kostenlos – im Netz verfügbar und viele davon habe ich schon erfolgreich eingesetzt. Das Schöne an ihnen ist auch, dass sie ständig weiterentwickelt, verbessert und erweitert werden. Und man entdeckt auch immer wieder Neues.

Einige Anwendungen, die ich in den letzten Jahren erfolgreich eingesetzt habe, möchte ich hier kurz aufzählen. Ausführliche Informationen und Anleitungen zu diesen findet ihr auf den jeweiligen Webseiten.

Ob ich nun diese oder andere Lern-Tools einsetze, zunächst muss ich mir natürlich immer erst einmal die Arbeit machen, auszuwählen, welches Material wie eingesetzt werden kann, und dann muss ich die Inhalte erstellen, so wie ich einst meine analogen Arbeitsblätter erstellt habe. Das macht Arbeit, das kostet Zeit, aber das ist es auch wert, denn dadurch schafft man echte digitale Arbeitsmaterialien.

Unterrichtsaufbau

Natürlich sind diese interaktiven Tools immer noch nicht der ganze digitale Unterricht, sondern der sieht für mich momentan idealer Weise so aus:

  • Mindestens jeden zweiten Tag ein Online-Treffen mit jeder Klasse für 20-40 Minuten per Videokonferenz.
    Inhalte: Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern über ihre Stimmung, ihr Befinden; ggf. Einführung eines neuen Themas (hier gilt das Snack-Prinzip: Heranführung in kleinen Häppchen; in der Oberstufe kann man da auch größere Happen bieten); Erklärung, was sie selbstständig zu tun haben (z. B. welche Aufgaben wo zu machen sind; auch wenn die Schülerinnen und Schüler wissen, auf welcher Plattform – mebis, Teams etc. – wir arbeiten, ist es m.E. wichtig, es ihnen auch noch einmal persönlich zu sagen, auch im Präsenzunterricht verweise ich ja z. B. auf bestimmte Seiten im Buch und erkläre eine Aufgabenstellung); zum Schluss Klärung von Fragen, Wünsche für das weitere Vorgehen, evtl. Besprechung von Problemen (Technik etc.).
  • Arbeitsmaterialien online bereitstellen (Erklärvideos, interaktive Arbeitsblätter, Arbeits- oder Rechercheaufträge; Tafelanschriften etc.); in der Regel gebe ich nur das Material von einer Stunde auf die nächste aus, eine Überladung der Schülerinnen und Schüler mit Aufgaben muss unbedingt vermieden werden.
  • Feedback geben; bearbeitete Arbeitsaufträge korrigieren und kommentieren, hier bietet es sich auch an, Audiokommentare einzusprechen (Acrobat, OneNote, Word u.a. Programme haben diese Möglichkeit). Zudem erfolgt die Kommunikation mit Schülerinnen und Schüler über einen Chat.

Die eierlegende Wollmilchsau

Abschließend noch eine Bemerkung zu der Frage, ob man für die Schülerinnen und Schüler nicht alles gebündelt über eine Plattform bzw. einen Kanal (mebis, Teams etc.) bereitstellen sollte. Digitale Medien zeichnen sich durch ihre Pluralität und Diversität aus und jeder, der sich heute kompetent in der digitalen Welt bewegt, nutzt die unterschiedlichsten Weg, je nach dem, welchen Zweck er verfolgt – Social media-Plattformen, Suchmaschinen, Datenbanken, Nachrichtenportale – und es gehört sicherlich zur modernen Medienkompetenz, dass man parallel mit diesen verschiedenen Kanälen arbeitet und das sollten Schülerinnen und Schüler auch lernen (wobei sie ja via ihrer Smartphones diese Vielfalt oft eh schon praktizieren). Wenn ich meinen digitalen Unterricht nach meinen Vorstellungen optimal gestalten will, kann ich mich nicht nur auf eine Plattform beschränken, denn – ohne auf Vorteile und Schwächen der einzelnen Angebote einzugehen – diese eierlegende Wollmilchsau gibt es noch nicht – aber digitale Medien sind in ständiger Veränderung und wer weiß, was sich da noch tut.